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Demonstrieren ist wichtig oder nur für Aggressionsabbau gut

Demonstrieren ist wichtig oder nur ein Platz für Aggressionsabbau

Demonstrieren ist wichtig oder nur ein Platz für Aggressionsabbau

Ziemlich provokant ich weiß es schon! Und in den viel beschworenen „Zeiten wie diesen“ noch schlimmer sich überhaupt darüber Gedanken zu machen. In einem Land, in dem der Innenminister sich Gedanken über die Interpretation der Menschenrechte macht oder in dem auch immer wieder Aktionen von den Politikern gesetzt werden, welche schon an schwarze Zeiten, oder besser den Beginn dieser Zeiten erinnern. Aber ich bin immer wieder, manche sagen sogar dauernd, in Paris unterwegs und da komme ich schon mit der einen oder anderen Demonstration in Berührung. Sehe nicht nur die Insel der Seligen mitten in Europa.

Immer nur Streiks und Demos

Wir kennen das ja bei den Franzosen, kaum passt Ihnen was nicht, rennen sie auf die Straße und blockieren mal den Alltag. Das ist auch nicht so schlecht und eine geschichtliche Entwicklung, die sicher auf das Verständnis von Staat und Demokratie seit der Französischen Revolution 1789 zurückgeht. Manchmal wird es zwar den Franzosen selbst zu viel. Dann geht mal das große Jammern über die SNCF und die Air France und die Post los, die ja immer gleich streiken. Stimmt schon bei denen fällt es halt am stärksten auf, denn man kommt eben nicht mehr so leicht in die Arbeit oder bekommt keine Pakete mehr. Wenn jetzt die Kellner streiken, ist es nicht so der Weltuntergang. Wird halt länger ignoriert.

Und für mich als gelernten Österreicher, der Streiks nur von den Medien und in Österreich nur die Androhung eines Streiks kennt, ist es eher ungewöhnlich. Klar haben wir hier auch unsere Demos oder besser Demonstratiönchen, denn so ein Aufbegehren gegen die Macht, gegen „die da oben“ ist uns einfach nicht gegeben. Das liegt nicht in unserem Blut! Und darum ist es bei uns eine Großdemo wenn da so 1.000 vielleicht sogar mal 5.000 Leutchen lustig durch die Straßen marschieren und ihre Transparente schwingen. In Paris ist das gerade mal ein nettes Zusammentreffen. Und diese kleinen Veranstaltungen, gibt es eigentlich fast täglich in irgendeiner größeren Stadt oder Region in Frankreich.

Geht mal alle auf die Straße

Ja das meine ich ernst! Es ist absolut wichtig für etwas einzustehen und sich nicht immer „von denen da oben“ auf der Nase herumtanzen zu lassen. Unser altehrwürdiger Kaiser Franz Joseph hat schon lange das Zeitliche gesegnet und seit dem haben wir eigentlich keinen mehr, der weiß was gut für uns ist. Oder glaubt es zu wissen. Obwohl uns das eigentlich jede Regierung glauben lassen will: Wir wissen schon was ihr braucht und was wir machen müssen. Leider ist es aber bei uns nicht so, dass wir uns schnell wehren anfangen. Wir reden, jammern, machen Wirtshaustisch-Politik, aber so richtig auf den Tisch hauen, ist eben mal nicht drinnen. Wir leiden einfach brav weiter und „die da oben“ werden es schon richten.

Bei den Franzosen schon! Die sagen auch laut, was sie nicht gut finden und fangen mal zu demonstrieren an und falls das nicht hilft, zu streiken. Und wenn das auch noch nichts bringt, ja dann… Ja dann zünden sie die ersten Mülleimer und Autoreifen an. Und dann geht es weiter und eskaliert zu Plünderungen, Randale, Verletzten, Schwerverletzten und Toten. Das ist jetzt aber ein ziemlicher Allgemeinplatz und stimmt nicht, zumindest der letzte Teil. Das Aggressionspotential bei Demos und Streiks ist sicher höher, aber meistens bleibt es wie in jeder westlichen Zivilisation bei Gebrüll und Drohgebärden. Ach und die paar Randpersonen, die unbedingt die Schilder zerstören und die Mülleimer ausleeren müssen. Ach die! Die hält man schon noch aus. Gibt schlimmeres.

Wir sind das Volk und tragen alle gelbe Jacken!

Nein sie waren noch nie das Volk! Auch falls vielleicht einmal hundert oder gar dreihundert-tausend auf der Straße waren. Ihr seid eine Gruppe mit einer eigenen Meinung. Nicht mehr. Nicht weniger. In einer Demokratie geht es noch immer über die Mehrheit und auch über die Diskussion und nicht die Minderheit und Molotov-Cocktails – um etwas zu ändern. Und wir sehen es nicht nur bei den Gelben Jacken, nein auch andere Länder haben (politische) Minderheiten, die allen ihren Willen aufzwingen wollen. Jetzt war gerade der 27. Jänner, ein denkwürdiger Tag, der uns immer in Erinnerung bleiben soll. Nämlich nicht was „wir“ verbrochen haben. Wir haben gar nichts verbrochen, aber es ist unsere Geschichte und „wir“ sind der Geschichte verpflichtet und müssen Vorbild sein. Vorbild für das Erkennen von Gewalt, Ausgrenzung und beim Eindämmen der „Wir sind das Volk“-Rufer. Egal aus welcher Ecke diese Minderheiten kommen!

Die meisten haben sogar diese gelbe Jacke im Auto. Warnwestenpflicht sag‘ ich nur. Und genau daher kommt eigentlich die Bewegung, AutofahrerInnen die gegen hohe Spritpreise (ja, ja, die lieben Steuern) aufbegehrten und Tankstellen blockierten. Und irgendwie ist das ein wenig größer geworden. Irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Auf einmal ging es um die ganze Politik der Regierung, welche „den Kleinen“ nur Probleme macht. Auch noch gut, das klar und deutlich zu äußern. Und irgendwann ist es dann eskaliert und die Gewalt war am Champs-Elysées, in Paris, in den Städten. Wie sagt man so… Und die Straßen brannten. Kann ja auch noch vorkommen. Die Regierung hat mal die Polizei von der Leine gelassen, alle haben sich mal mehr als kräftig verhauen (es mussten sogar Menschen sterben). Und jetzt versucht man endlich miteinander zu reden. Aber sie laufen noch immer, die Gelben Jacken, die offiziellen Zahlen variieren (wie immer), aber ich habe ein paar hundert (!) in Paris entdeckt.

Mich erschrecken die Zustände, welche die „Gelben Jacken“ erzeugen

Ja wirklich! Ich bin jetzt in diesem Jahr das erste Mal wieder in Paris gewesen, ja im Dezember war ich auch kurz, aber eben nicht so richtig in der Innenstadt, im Zentrum. Aber dieses Mal habe ich mich am Samstag reingewagt. Nein eigentlich nicht, ich habe mich mal schlau gemacht und es war nichts großartiges angekündigt. Da dachte ich mir, gehe mal deine übliche Strecke vom Triumphbogen über die Tuilerie zum Louvre und genieße eine wenig den Tag und das Flair von Paris.

Nichts war’s oder doch ein wenig ging es schon, das Flair zu spüren. Aber zuerst waren gleich Mal „aus Sicherheitsgründen und auf das Verlangen des Polizeikommandanten“ die wichtigsten Metrostationen am Champs-Elysées und Umgebung gesperrt. Geht ja gut los, dachte ich mir. Und dann bin ich bei Étoile aus der Metro raus und war wirklich beeindruckt. Beeindruckt über den Wahnsinn, denn ein paar Leutchen da losbrechen und alles und alle in Geiselhaft nehmen können.

Da stehen ein vielleicht 200 hundert Gelbjacken am Anfang der Champs-Elysées und alle weichen aus. Schauen sich ängstlich um. Der Triumphbogen ist abgeriegelt und Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge stehen bereit. Es sieht aus… Bald kommt ein ganzes Bataillon und zieht marodierend durch die Straßen! Und dann, ja dann sind das ein paar hundert, ein Grüppchen eben. Und diese skandieren „Wir sind die Meinung der Franzosen und Französinnen“. Der Wahnsinn schlecht hin. Zumindest in meinen Augen.

Ich habe die Prachtstraße noch nie so leer gesehen. Fast keine Menschen, keine Touristen, keine Pariser. Der Verkehr, auch nichts, keine Autos, keine LKWs, die Motorräder ganz verschwunden. War zwar praktisch um ein paar nette Bilder zu machen, aber… Wieso sind alle Verkehrszeichen und Ampeln abmontiert? Ich habe dies bis jetzt nur bei großen Feiern erlebt. Dieses mal ist es die Angst. Der Versuch der Zerstörungswut keinen Nährboden zu geben. Und auch bei einigen Geschäften: Zugenagelte Schaufenster, als ob schon Krieg wäre. Aber das dürfte es wohl sein. Krieg der Extremisten (egal welche Gesinnung sie haben oder nicht haben) gegen die Gesellschaft.

Am Anfang, als es im November losging und auch noch teilweise im Dezember, da waren es „ehrliche“ Proteste, Ausdruck der Angst und Sorgen von vielen. Dann kamen aber die Krawallmacher… und es wurde schon da gewalttätig. Aber jetzt… Ja, jetzt? Da ich eigentlich ein wenig die Stadt genießen wollte, bin ich weiter zu Fuß gewandert und bin mit offenen Augen durch die Straßen gewandert. Stimmt schon es waren immer wieder Minigrüppchen von Gelbjacken zu sehen, mal zwei, mal drei oder auch fünf Personen. Die sind zusammengestanden, haben diskutiert und sind dann Richtung Triumphbogen abgezogen. Alles normal, der Beginn einer freien Meinungsäußerung, oder wie sagt man auch: Einer Demonstration.

Hört auf und fangt wieder an

Aber was mich mehr erschreckt hat, es waren größere Gruppen von, ich nenne sie mal Hooligans, mit einer gelben Jacke in der Hosentasche, unterwegs. Wenn es harmlos war, hatten sie noch eine Bierdose in der Hand… Aber meistens war es schon stärkeres und schon sehr alkohollastig. Ich kenne das nur von großen Sportereignissen, da fließt der Alkohol in Strömen und alle sind super mutig. Am Ende verschlafen sie dann das Ereignis und fahren wieder friedlich heim. Nichts passiert! Gut ist’s gegangen!
Aber hier sah ich schon den einen oder anderen Stein, der eingesteckt wurde und noch mehr was für einen „Angriff“ bereitstand. Und der Alkohol gab Mut, viel zu viel Mut. Aber was ich nicht sah, Plakate mit (mehr oder weniger sinnvollen) Forderungen, wirklich motivierte Menschen, die etwas verändern wollen. Eine durchmischte Gruppe von allen Gesellschaftsschichten, Alter und Geschlecht. Nein ich sah stark betrunkene Männer (ein paar Frauen auch) im besten Alter von 30, 40 Jahren.

Ich sehe verbarrikadierte Geschäfte, Menschen die sich bei jedem gelben Kleidungsstück ängstlich umdrehen, abgeriegelte Straßen und Betrunkene, gewaltbereite Gruppen und leere Straßen. Aber ich sehe, alles nur am Samstag. Hey sind das nur Freizeit-Demos oder was ist los? Sind die Probleme nur am Samstag so gravierend, wenn keiner arbeiten muss oder bestehen die auch unter der Woche? Also irgendwie mache ich mir schon meine Gedanken. Ich sehe die Angst, die eine kleine Gruppe von Menschen verbreitet… Aber ich sehe eben nicht alles, es ist nur eine Momentaufnahme.

Aber ich sehe auch den Moment, wo Menschen sich begegnen… Uniformierte und geschützte Polizisten und harmlose und mit gelben Warnwesten angezogene Demonstranten, welche sich gemeinsam einen Café hohlen. Also auch das gibt es, Pariser die sich nicht die Köpfe einschlagen, zumindest im Moment. Ich sehe den großen Teil der Stadt, der friedlich ist. Paris brennt gar nicht! Sondern nur ein paar Straßenzüge werden von ein paar frustrierten Menschen mit Gewalt überzogen.

Hört auf mit dem Wahnsinn der Gewalt und demonstriert und streikt wie echte Menschen,
für eine positive Veränderung!

 

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