Nimm die Verantwortung für dein persönliches Ikigai an!
Life(style)

9 japanische Konzepte, die du kennen solltest (und vielleicht dein Leben verbessern)

Ihr wisst ja, dass ich nicht nur gerne in Frankreich unterwegs bin, sondern mich auch Japan immer wieder in seinen Bann zieht. Bald ist es wieder so weit, nach langen Jahren der Pandemie darf wieder in Japan eingereist werden. Darum passt es ganz gut, heute neun japanische Konzepte aus Nippon vorzustellen.

Ich reite hier nicht auf der Selbstverbesserungswelle, Nein wirklich nicht. Ist nicht so meines. Doch einige Konzepte, Ideen, Stile aus der japanischen Kultur, können dir helfen, dein alltägliches Leben und auch dein Verhalten zu verbessern. Einer der Gründe warum mich Japan und seine Kultur fasziniert ist die Art wie die Japaner:innen das Leben verstehen und wie sie in ihren Alltag alte Konzepte (und modernes Verhalten) integrieren. Aber nicht lange reden, sondern loslegen!

Das ändert jetzt alles!

Ikigai – 生き甲斐

Dies ist das wichtigste der japanischen Konzepte für mich. Darum stelle ich es auch gleich an den Anfang. Ganz frei übersetzt: „Was treibt dich morgen aus dem Bett“ oder ein wenig weiter gegriffen „das, wofür es sich zu leben lohnt“. Es ist also die Freude, das Lebensziel, welches dich bewegt. In der japanischen Kultur ist das Streben und die Suche nach Ikigai ein wichtiges Element im Leben. Für die Suche nach dem Ikigai gibt es keine Regeln, kein Konzept und ist damit ein sehr persönlicher Vorgang. Aber sobald man es gefunden hat gibt es ein Gefühl der inneren Zufriedenheit.

In der japanischen Kultur hat die oft langwierige und gründliche Selbsterforschung beim Streben und der Suche nach Ikigai eine wichtige Bedeutung. Es ist ein überaus persönlicher Vorgang, und das Resultat kann daher von Individuum zu Individuum sehr verschieden sein. Findet oder hat ein Mensch sein Ikigai, bewirkt es für ihn ein Gefühl der Lebensfreude und damit innere Zufriedenheit.

Oubaitori – 桜梅桃李

Dahinter steckt die Idee, dass Menschen wie Blumen zu ihrer eigenen Zeit und auf ihre eigene, besondere Weise blühen. Und wie Blumen sich nicht vergleichen, keine Blume schaut ob sie schöner als die andere blüht, soll dies auch der Mensch anwenden. Geh deinen Weg und vergleich ihn nicht mit dem eines anderen oder besser beurteile dich nicht aus dem Gesichtspunkt anderer.

Der Begriff setzt sich aus den Kanji-Zeichen der vier symbolträchtigen Bäume zusammen, die alle im Frühling blühen: Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Aprikose. Sie blühen nebeneinander, aber alle auf sehr unterschiedliche Weise. Deshalb passt das Konzept des Oubaitori auch so gut zum Konzept des vorhergehenden Ikigai. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen. Zeit den eigenen einzigartigen Charakter, die Eigenschaften und Fähigkeiten zu (er)kennen.

Shikita ga nai – 仕方がない

„Da kann man halt nichts machen!“ – Das ist doch ein typisch österreichischer Satz! Oder? Irgendwie schon, nur dem dritten der vorgestellten japanischen Konzepte fehlt der fatalistische, der gleichgültige Beigeschmack! Es geht mehr um das Akzeptieren nicht veränderlicher Ereignisse, sogar Katastrophen und dabei die eigene, die innere Würde zu bewahren.

Damit machst du dir dein Leben schon um einen großen Teil leichter. Wenn dich gesellschaftliche, kulturelle oder auch andere Zwänge hindern es zu ändern hast du nur zwei Möglichkeiten: Dich aufzulehnen und zu leiden oder sie hinzunehmen. Damit sollst du aber auf keinen Fall lemminghaft der Masse nachlaufen oder unreflektiert Traditionen nachahmen. Sondern wirklich Dinge die einfach (im Moment) nicht änderbar sind mit Würde und ohne Leiden annehmen. Manches liegt halt nicht in deiner Hand.

Sakura, Mädchen in Kimonos vor dem Kirschbaum
Sakura, Mädchen in Kimonos vor einem Kirschbaum

Gaman – 我慢

„Sei geduldig und beharrlich“, so kann es übersetzt werden. Wie sagen wir nicht so schön „In schwierigen Zeiten erkennst du den Charakter eines Menschen“ oder auch „Schwere Zeiten zeigen dir deine Freunde“. Das Konzept kennst du ein wenig aus unserer Kultur. Denn mit Gaman ist gemeint, in schwierigen Zeiten sein Bestes zu geben und dabei nicht die Selbstdisziplin aus den Augen zu verlieren.

So gesehen ist eine typische japanische Lebenshaltung: „Die Einschränkung des eigenen Egoismus zu Gunsten anderer!“. So weit würde ich nicht gehen, aber du kannst dich ruhig ein wenig mehr zurücknehmen, oder? Nicht immer die eigenen privaten Probleme, Sorgen, Wehwehchen oder privaten Anliegen nach außen zu tragen. Vielleicht hat dein gegenüber viel größere Sorgen?

Wenn du das nächste Mal in stürmisches Fahrwasser kommst, bleibe würdevoll und bewältige den Sturm mit Selbstbeherrschung und auch emotionaler Reife. Sei geduldig (mit dir selbst) und Beharrlich gegenüber dem Problem. Doch vergiss dabei die Toleranz nicht.

Omoiyari – 思い遣り

Rücksicht! Mehr ist da nicht zu sagen. Dies ist auch ein Konzept, welches ich im europäischen Raum mal gesehen habe. Im Moment ist diese Haltung gerade ein wenig verschwunden. Probiere doch mal rücksichtsvoll zu sein und vielleicht kannst du sogar Mitgefühl entwickeln. Das Leben ist besser, wenn du dich um andere kümmern kannst.

Doch es nur mit Mitgefühl oder Rücksicht zu übersetzen ist ein wenig zu kurz gegriffen. Eigentlich ist es eine tiefergehende Empathie deinem Mitmenschen gegenüber. Wenn Omoiyrai praktiziert wird, erwarten Japaner, dass ihr Wunsch erfüllt wird, bevor er geäußert wird. Gerade in der japanischen Kultur ist ein Fragen, ein Bitte um etwas unüblich.
Ein typisches Beispiel: Wenn du in Japan in einem Supermarkt, einem Konbini ein Joghurt kaufst, bekommst du automatisch einen Plastiklöffel dazu. Ein:e Japaner:in würde nie nach einem Plastiklöffel fragen.

Kaizen – 改善

Wir kennen es leider meistens unter dem Begriff „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“. Aber auch hier steckt eine ganze Philosophie, eine Lebenshaltung dahinter. Die japanische Philosophie sieht mehr die ewige Veränderung in Kaizen. Und hier die sichtbare Veränderung.

Und Kaizen ist auch nicht auf die Wirtschaft, auf Produkte eingeschränkt. Es ist eine persönliche Lebenshaltung, ein Teil des Alltags. Am einfachsten kannst du diese Idee in dein Leben integrieren, wenn du jeden Tag (das ist sehr optimistisch) ein wenig besser wirst als am Vortag.

Es geht eben nicht um den großen Big-Bang am Jahresanfang. Bist du auch so Team „am 1. Jänner fange ich an und alles wird anders“? Wir wissen doch alle, dass es so nicht ist. Die meisten Neujahrsvorsätze gehen nach einer Woche verloren oder zumindest nach einem Monat. Und was soll am 1. Jänner anders sein? Nichts! Aber jeder neue Tag gibt dir die Chance etwas besser zu machen. Und all diese kleinen Veränderungen sind am Ende der große Unterschied. Ist irgendwie mit den Glücksmomenten, die man über ein Jahr nicht so richtig bemerkt.

Japanische Konzepte: Shu-Ha-Ri oder Erlernen – Üben – Anwenden
Japanische Konzepte: Shu-Ha-Ri oder Erlernen – Üben – Anwenden

Shu-Ha-Ri – 守破離

Du weißt vielleicht, dass ich (praktizierender) Fan von Aikidō bin? Zumindest jetzt weißt du es. Und das Shuhari (ja schreibt man auch so) ist hier ein Bestandteil. Es ist ein Konzept, das die Stufen des Lernens bis zur Beherrschung beschreibt: Erlernen – Üben – Anwenden. Oder wie wir hier im westlichen Raum sagen: „tägliches Lernen“

Mit Shu dem ersten Schritt gehorchst und lernst du. Es geht darum die Regeln zu kennen und exakt zu kopieren. Also abweichen und eigene Interpretation ist nicht.
Mit Ha bist du sozusagen der Geselle. Jetzt bist du am Üben der erlernten Techniken, Verhaltensweisen, was auch immer. Du hinterfragst die Regeln und Techniken und verstehst die zugrundeliegenden Prinzipien. Dadurch entwickelst du deinen eigenen Stil, behältst aber die Prinzipien bei.

Mit Ri bist du selbst zum Meister geworden. Du kannst jetzt die erlernten und geübten Techniken richtig anwenden. Aber auch weiterentwickeln und verändern. Dir stehen nun zwei Wege offen: Du kannst es als Meister perfekt anwenden und anderen zur Verfügung stellen. Der zweite Weg ist ehrenvoller. Du fängst mit Schüler:innen wieder bei Shu an und gibst dein Wissen weiter.

Wabi-sabi – 侘寂

Dies ist ein Konzept zur Wahrnehmung von Schönheit und existiert seit Jahrhunderten. Erste Ansätze im 7. Jahrhundert oder so. Aber nicht die offensichtliche Schönheit ist hier gefragt. Es gilt die kleinen Dinge des Alltags neu zu entdecken. Die Schönheit des Unauffälligen und Schlichten wahrzunehmen.

Am einfachsten beginnst du mit der Akzeptanz des Unvollkommenen. Nichts kann perfekt sein. Dabei geht es auch darum, dass Sachen gebraucht werden und auch eine entsprechende Patina haben. Schau hinter diese Schicht und finde die verborgene Schönheit. Dabei wirst du auch entdecken, dass nichts von Dauer ist und nichts wirklich vollständig ist.

Es geht aber nicht nur um Dinge, wie bei jedem der 9 Konzepte geht es auch um dich selber. Auch du bist nicht perfekt oder vollkommen. Schwächen und so? Lerne deine Schwächen zu akzeptieren (und natürlich auch die deiner Mitmenschen). Und finde die Schönheit, die Ruhe in der Unvollkommenheit. Dein Leben wird so viel ruhiger und ausgeglichener sein.

Kintsugi – 金継ぎ

Das wird das am schwierigste umzusetzende Konzept sein. Zumindest im materiellen Sinn. Es ist die Reparatur mit Gold. Dabei werden zerbrochene Porzellan/Keramik-Gefäße wieder geklebt und dem Kit wird Gold (auch Silber oder Platin) beigefügt. Damit werden die kaputten Stücke wertgeschätzt und auch die Brüche hervorgehoben.

Das passt ganz gut zur vorherigen Philosophie. Du zeigst das Unvollkommene und machst es sogar noch wertvoller und schöner. Aber jetzt schaust du nur auf die materielle Seit, oder nicht? Wie schaut es bei dir aus, deine Fehler, deine Schwächen machen dich doch nur wertvoller und/oder schöner. Denn sind sie es nicht, die deine Persönlichkeit ausmachen?

Japanische Konzepte: Kintsugi oder die Goldreparatur
Japanische Konzepte: Kintsugi oder die Goldreparatur
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